Pollaschfeier des Spessartbunds mit Livestream
Judith Gerlach, Bayerische Staatsministerin für Digitales, spricht.
Heigenbrücken. Erstmals in der über 100jährigen Verbandsgeschichte musste der Spessartbund Corona-bedingt neue Wege bei der traditionellen Totengedenkfeier auf dem „Pollasch“ beschreiten. Füllten sonst die mit Bussen angereisten Mitglieder den Platz, waren heuer nur jeweils maximal dreiköpfige Fahnenabordnungen der Mitgliedsvereine nach den gültigen Hygienevorschriften zugelassen. Sie repräsentierten die rund 10.000 Mitglieder in den 80 Ortsgruppen der Vereine. Deshalb wurde die Feierstunde erstmals per Livestream digital in die Wanderheime und Vereinsgaststätten daheim übertragen. Die Gedenkrede hielt dazu passend die aus Weibersbrunn stammende Bayerische Digitalministerin Judith Gerlach, MdL. Die Feierstunde wurde musikalisch umrahmt durch das Zupfensemble der Natur- und Wanderfreunde Rottenberg unter der Leitung von Wanda Jung. Vorstandssprecher Wolfgang Beyer begrüßte die Abordnungen der Mitgliedsgemeinden. Es sei ein Novum in der Verbandsgeschichte, dass man den verstorbenen Mitgliedern in dieser digitalen Form gedenken müsse. Er hoffte, dass man 2021 wieder zur alten Form zurückkehren könne. Die digitale Übertragung wolle man im Hinblick auf die älteren, gehbehinderten Mitglieder beibehalten.
Digitalministerin Judith Gerlach lobte die Arbeit des Spessartbundes im Verbandsgebiet zwischen Frankfurt und Würzburg. Es sei nur schwer vorstellbar, was es alles ohne sie nicht gäbe: Zahllose bestens markierte Wanderwege, landkreis- und sogar bundesländerübergreifend, mit unzähligen Wanderangeboten; Erhaltung von Kulturwerten; Erforschung der Geschichte dieser Region und nicht zuletzt Geselligkeit und Freude in Ihren örtlichen Vereinen. Diese Leistungen seien nicht selbstverständlich, gerade auch weil dieses alles ehrenamtlich erbracht. Dazu gehöre viel Idealismus und vor allem eine große Liebe zu unserem Spessart. Dafür sagte sie ein ganz herzliches Dankeschön!
Ungewöhnlich für ein Totengedenken – aber sehr LEBENSnah – sei dieser Platz hier, betonte die Ministerin. Lebensnah deshalb, weil es hier vor Leben strotze. Nicht immer laut und auffällig, aber dafür intensiv: Mächtige und sehr alte Bäume soweit das Auge reicht; viele Arten von Pflanzen, oft auffällig oder unscheinbar; meistens nicht sichtbar die vielen Tiere des Spessarts vom kapitalen Hirsch bis zur kleinen Waldameise. Und heute wir alle, die Menschen des Spessarts, die zum Pollasch gekommen sind. Sie war beeindruckt von dem bunten Bild der Fahnenabordnungen der Ortsgruppen, vom Zupfensemble, der Vorstandschaft des Spessartbundes.
Judith Gerlach: „Wenn ich früher schon einmal hier an diesem Platz war, lagen die Gedanken an den Tod wirklich in weiter Ferne. Für sie, die Freunde und Mitglieder des Spessartbundes, ist das völlig anders. Es ist ein mehrere Jahrzehnte altes Ritual, dass sie sich ausgerechnet hier an Ihre verstorbenen Mitglieder erinnern. Hier ist ihr Kristallationspunkt. Hier vereint sich Geschichte mit Ihrer Gegenwart. Der weite Ausblick lädt ein in die Zukunft zu denken. An diesem Ort verbinden sich Natur und Technik, Tradition und Moderne: So weit das Auge reicht Wald. Aber direkt neben uns die Staatsstraße, unten im Tal eine der meistbefahrenen Bahnstrecken Europas und im weiteren Ausblick Industrieanlagen.“
Der für Ortsgruppen und Gaue zuständige Vorstand Herbert Arnold und Maria Weitert von der Ortsgruppe Breunsberg verlasen die Namen der 185 verstorbenen Spessartbundmitglieder. Ministerin Judith Gerlach, die Vorstandsmitglieder Wolfgang Beyer (Kultur) und Michael Schäfer (Wandern/Outdoor) legten einen Kranz am „Pollasch“, dem Ehrenmal des Spessartbundes nieder. Mit dem Bundeslied „Weißt Du wo die Eichen trotzig ragen?“ endete traditionsgemäß die Gedenkfeier.
Text und Foto Richard Krebs
Das Bild zeigt von links: Helmut Schuster (Vorstand Wegenetz), Silvia Röll (Bundesvorsitzende der Deutschen Wanderjugend), Digitalministerin Judith Gerlach, Michael Schäfer (Vorstand Outdoor, Wandern) Wolfgang Beyer (Vorstandssprecher und Vorstand Kultur) sowie ein Vertreter der Ortsgruppen mit Wimpel nach der Kranzniederlegung am Ehrenmal.
Das Pollasch-Denkmal und die Wodjanka-Hütte bilden als Anlage eine Einheit. Der verbindende Charakter des breiten Weges ging durch die Asphaltierung der Landstraße verloren, weshalb sie im Jahre 2005 vom Bayerischen Forstamt Heigenbrücken an den Rand des Pollasch-Platzes verlegt wurden. Nach der formellen Vereinsgründung des Spessartbundes ging das Ehrenmal an den Spessartbund über, der dort alljährlich am zweiten Sonntag im Oktober seiner Toten gedenkt.
Das Ehrenmal am „Pollasch“ geht auf eine Idee der Frankfurter „Hochspessartfreunde Rothenbuch“ zurück. Es sollte an die im 1. Weltkrieg gefallenen Vereinsmitgliedern erinnern und zum Frieden mahnen. Das Denkmal fällt durch seine für 1927 sehr moderne Formgebung auf, die „schlicht und neuzeitlich“ gehalten war. Der Heigenbrückener Steinmetz Georg Lippert arbeitete mit Buntsandstein nach einem Plan von Herrn Salzmann aus der Ortsgruppe Offenbach. Es wurde am 16. Oktober 1927 eingeweiht. Auf dem Aussichtspunkt befindet sich die Wodjanka-Schutzhütte. Christian Wodjanka machte sich als Förster und aktives Mitglied des Spessartbundes um die Erschließung des Spessarts verdient. Nach ihm wurde die Schutzhütte am Pollasch benannt.
Bilder von Angelika und Wolfgang Beyer