Spessartglas begehrtes Luxusgut im Spätmittelalter
Vortrag von Dr. Gerrit Himmelsbach bei den Bildungspartnern Main-Kinzig-Kreis
– Über das Wirtschaftsleben und die Herrschaft von 1350-1517 –
Nach der Katastrophe der Pest für die Menschen, die ganze Landstriche im Spessart entvölkerte und Wüstungen entstehen ließ, erholte sich der Wald zunächst, wurde aber in der Folge stärker denn je ausgebeutet. Über die direkte Holznutzung hinaus wirkten sich Glashütten, Salzgewinnung, Kohlenmeiler für die Holzkohlenerzeugung sowie Bergbau massiv aus. Darüber hinaus nutzte die wieder stetig wachsende Bevölkerung die Waldflächen als Viehweide. Zu dieser Einschätzung kam Dr. Gerrit Himmelsbach vom Archäologischen Spessartprojekt (ASP) an der Volkshochschule der Bildungspartner Main-Kinzig GmbH in seinem jüngsten Online-Vortrag, über „das Wirtschaftsleben im Spätmittelalter von 1350 – 1517“ in seiner Vortragsreihe „Spessart –Geschichte einer Kulturlandschaft“. Wo der Wald zurückgedrängt wurde, seien große Schäfereien für die Textilherstellung entstanden. In diesem Zusammenhang seien internationale wirtschaftliche und verkehrstechnische Verbindungen, beispielsweise im Glashandel und bei den Frammersbacher Fuhrleuten sichtbar geworden. Verkehrswege wie der Eselsweg und die Birkenhainer Straße wurden nach Himmelsbach für Zollstellen und Geleitstrecken bedeutsam. Mit dieser Infrastruktur seien die Grundlagen für die Ausbeutung der Ressourcen in der Region gelegt worden.
Dieser Raubbau am Wald sei selbst dem Landesherren, dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz, zu weit gegangen. Er erließ 1338 eine Forstordnung mit der wertschätzenden Selbsterkenntnis, der Spessart sei „nit das geringst kleinod“, wahrscheinlich weil er auch seine beliebten Jagdgründe in Gefahr sah. Darin legte er Obergrenzen für die Nutzung des Waldes fest: Strenge Regeln für die Förster, Verbot für Hunde und Schweine sich im Wald aufzuhalten und vor allem Begrenzung der Anzahl auf vier Glashütten einschließlich deren Produktionsstätten und Beschäftigte.
Die Glasindustrie als Hauptverbraucherin des Waldes entwickelte sich später dennoch prächtig, so Himmelsbach. Vom 13. bis in das 19. Jahrhundert wurden im Spessart 160 Glashütten gezählt. Um 1600 betrug die Investitionssumme für eine Spessart-Glashütte etwa 1800 Gulden (umgerechnet rund fünf Millionen Euro). 1684 ordert ein Amsterdamer Glashändler jährlich 250.000 Spessartgläser. 1698 wird auf einer Verkaufsfahrt nach Köln ein Umsatz von 1800 Gulden von den Spessartglashütten erzielt, belegen historische Handelsdokumente. Spessartglas wurde auf der Frankfurter Messe gehandelt und war über Jahrhunderte ein beliebtes Luxusgut für wohlhabende Frankfurter Kaufmannsfamilien. Selbst die Kunst hat das Spessartglas für sich entdeckt, so Himmelsbach weiter. So taucht es in einem Stillleben-Gemälde des bekannten Kunstmalers Georg Flegel auf.
In seinem Vortrag ging Himmelsbach unter anderem auch die Be- und Entwässerung von Spessartwiesen ein, die in Wiesenordnungen für Wiesenwarte detailliert festgelegt worden sei und auch Strafen bei Zuwiderhandlung vorsah. Dieses System habe die Erträge bei der Heu- und Grummeternte um rund 30 Prozent gesteigert, weil die Wiesen mindestens ein bis zwei Mal im Jahrzusätzlich gemäht werden konnten. Dies habe im Spessart zur Verbesserung der Nahrungsgrundlage geführt. Himmelsbach verwies in diesem Zusammenhang auf eine Diplomarbeit von Monika Hahn an der Universität Würzburg mit dem Titel „Wässerwiesen im Spessart. Traditionelle Kulturlandschaftselemente und ihre aktuelle Bedeutung“ hin. Eine Luftaufnahme von 1998 bei Marjoß zeigt das ausgeklügelte Wiesen-Wassersystem noch heute deutlich.
Schließlich ging Himmelsbach auf den Einfluss des Niederadels auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Spessart ein, allen voran der Familie von Hutten, deren Bekanntester Sprössling, der Humanist Ulrich von Hutten (1488 – 1523) künstlerische und gesellschaftsrelevante Themen am Ende des Spätmittelalters aufgegriffen habe. Einzelheiten hierzu enthält auch eine Tafel auf dem neuen „Europäischen Kulturweg“ in Hutten, der am 1. August offiziell eingeweiht wird.
Gründau, 25. Juni 2021
Text: Peter Völker
Dr. Gerrit Himmelsbach – Archäologe und Mitglied für Kommunikation im Vorstand des Spessartbundes
Spessartglasverkauf auf der Frankfurter Messe um die Mitte des 18. Jahrhunderts
Darstellung der Glas-Produktionskette, Frankreich, 15. Jahrhundert