Dialog und Fachkompetenz
Regionale Identität, Familien als Zielgruppe, digitale Medien, verlässliche Wegemarkierung: Eine Zukunft haben Wandervereine nur, wenn sie den Wandel der Gesellschaft und die daraus entstehenden Bedürfnisse von Wanderinnen und Wanderern ernst nehmen. Das ist ein Ergebnis der Herbstfachwartetagung des Deutschen Wanderverbandes in Aalen.
Wenn Wandervereine eine Zukunft haben wollen, werden sie um zeitgemäße Websites und Facebook nicht herum kommen. Das ist Ergebnis einer Studie, die Erik Neumeyer, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Wanderverbandes (DWV) während der Großen DWV-Herbstfachwartetagung vorgestellt hat. Die Tagung führte rund 140 Vertreterinnen und Vertreter der DWV-Mitgliedsorganisationen vom 26. bis 28. Oktober nach Aalen, um den Dialog in den Fachbereichen Wandern, Wege, Medien, Familie, Kultur und Naturschutz zu führen und darüber zu diskutieren, was passieren muss, um die DWV-Mitgliedsvereine fit zu machen für die Zukunft.
Neumeyer sagte in Aalen, dass beim Wandern zunehmend eine Individualisierung zu beobachten sei. „Viele Menschen gehen heute lieber alleine, mit dem Partner, Freunden oder der Familien raus. Für geführte Wanderungen im Verein interessieren sich gerade junge Menschen häufig nicht so sehr“, so Neumeyer. Dabei habe das Thema Wandern als Erlebnis für viele Menschen einen hohen Wert. „Wandern wird als kleines Abenteuer vor der Haustür erlebt, Wanderziele werden zu Sehnsuchtsorten“, so Neumeyer. Eine Befragung von über 2.300 Wanderinnen und Wanderern im Rahmen des Projektes „Natursport.Umwelt.Bewusst“ habe zudem gezeigt, dass diese idealerweise über Veranstaltungen sowie mobil-optimierte Websites und Facebook angesprochen werden.
Wie entsprechende Angebote entwickelt werden können, berichtete in Aalen Hans-Eberhard Peters, der die Medien des Eifelvereins betreut. Dessen Website ist in den vergangenen zwei Jahren nicht nur überholt, sondern den rund 140 Ortsgruppen für ihre Medienarbeit zur Verfügung gestellt worden. Um den Ortgruppen den Schritt in die für sie zum Teil neue Medienwelt zu erleichtern, hat der Hauptverein zehn Schulungen mit bis zu 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern organisiert. Peters: „Dazu gab es Online-Schulungen mit TeamViewer, Schulungsseiten mit Tipps und Tricks sowie YouTube-Videos.“ Dass die Initiative Erfolg hatte, beweist der Blick auf die Zahlen. „Im Jahr 2014 hatten 59 Ortsgruppen und damit 38 Prozent keine Homepage, knapp die Hälfte nahm an dem gemeinsamen System teil; heute haben nur noch 19 Ortsgruppen und damit 13 Prozent keine Homepage, 105 Ortsgruppen, also drei Viertel nehmen am System teil“, so Peters. Auch die Facebook- und Blogangebote von Eifelverein und Peters können sich sehen lassen. Hier hat der Verein 4.800 „Fans“ und der von Peters betreute Blog EIFELsüchtig 11.000 Abonnenten. Peters: „Das macht eine Reichweite zwischen 2.000 und 3.000 Besuchern in der Woche, in Spitzen sind es 100.000.“
In Aalen wurde auch deutlich, dass nicht nur die Medien- sondern auch die realen Angebote der Vereine hochwertig sein sollten, um mehr Menschen zu begeistern. Gerade bei Angeboten für jüngere Leute und Familien gebe es noch Nachholbedarf, so DWV-Präsident Dr. Hans-Ulrich Rauchfuß, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Familienarbeit in den Vereinen voranzubringen, um die Zukunft der Vereine zu sichern. Rauchfuß: „Jeder Verein sollte eine Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner benennen, der für das Thema Familie verantwortlich ist.“ Entscheidend für den Erfolg der 58 DWV-Mitgliedsvereine sei auch, hochwertige Gruppenwanderungen anzubieten. Daher setze der Verband weiter auf seine zertifizierte, anspruchsvolle Wanderführer-Ausbildung. „Neben Vermittlungskompetenz legen wir viel Wert auf Sachkompetenz bei natur- und kulturräumlichen Themen. Und natürlich beherrschen unsere bundesweit inzwischen über 7.000 Wanderführerinnen und Wanderführer auch den Umgang mit Karte, Kompass und GPS-Gerät“, so der Präsident, „es gibt nichts Schlimmeres als eine langweilige Wanderung mit fachlich falschen Informationen, bei der sich die Teilnehmer am Ende auch noch verlaufen.“
Viele der von den DWV-Mitgliedsvereinen beziehungsweise deren Wanderführerinnen und Wanderführern angebotenen Wanderungen unterliegen dem seit Juli gültigen neuen Reiserecht. Diesem Thema widmete sich während der Fachtagung der Münchener Anwalt Stefan Obermeier. Obermeier zufolge bestehen zwar nach wie vor viele Möglichkeiten, die Vereinsfahrt ein- bis zweimal im Jahr rechtssicher durchzuführen und im Mitgliederumfeld zu bewerben. Vom neuen Reiserecht betroffen seien aber Angebote wie die im Magazin Ferienwandern bundesweit beworbenen. Hier müsse in den Vereinen geklärt sein, wer Veranstalter sei. Sei es der Verein, dann sei dieser versicherungspflichtig. Möglich sei auch, dass der Verein als Vermittler auftrete und mit professionellen Bus- beziehungsweise Reisveranstaltern kooperiere, so Obermeier. DWV-Geschäftsführerin Ute Dicks: „Für den DWV war es wichtig, hier Klarheit zu bekommen. Dazu hat der Vortrag von Herrn Obermaier beigetragen.“
Aushängeschild der im DWV organisierten Vereine sind nach wie vor die von ihnen geplanten und gepflegten Wanderwege. Entsprechend war das Wegemanagement in Aalen ein großes Thema. Um die damit verbundenen Arbeiten zu erleichtern, hat der DWV die Online-Software NatursportPlaner entwickelt, die sich inzwischen im In- und Ausland großer Beliebtheit erfreut. So speichert der größte Wanderverein Deutschlands, der Schwäbische Albverein, sein gesamtes Wegenetz digital im NatursportPlaner und kann die Daten so im System des Landesvermessungsamtes integrieren. Auch die durch Deutschland verlaufenen Europa-Wege mit einer Länge von 11.000 Kilometern sind im NatursportPlaner erfasst.
Im Fachbereich Naturschutz wurde über ein Papier beraten, das den Umgang von Wanderern mit dem Thema Wolf und anderen wildlebenden Tieren behandelt. Außerdem gab es dort Unterstützung für das neue Aktionsprogramm Insektenschutz, welches als Chance für Wandervereine gesehen wird, sich zu engagieren.
Die römische Vergangenheit der Tagungsregion war Schwerpunkt des Fachbereichs Kultur. Mit Unterstützung des Schwäbischen Albvereins wurden viele spannende Inhalte auch im Rahmen einer Exkursion vermittelt. So gab es in Aalen ein Limeskastell und nicht weit entfernt steht das beeindruckende Limestor von Dalkingen.
Die Folien zur PowerPoint-Präsentation des Vortrages von Erik Neumeyer „Wie erreichen wir die Menschen, die neue Mitglieder werden können“ gibt’s zum Herunterladen unter www.wanderverband.de. Das Skript zum Vortrag von Stefan Obermeier kann bestellt werden unter m.acar@wanderverband.de.
Seit 1883 vertritt der Deutsche Wanderverband gegenüber Politik und Behörden die Interessen seiner Mitglieder und ist der Fachverband für das Wandern und die Wegearbeit in Deutschland. Als Dachverband von rund 70 landesweiten und regionalen Gebirgs- und Wandervereinen mit rund 600.000 Mitgliedern hat der DWV wichtige Initiativen wie das Kita-, Schul- und Gesundheitswandern oder die Ausbildung von Wanderführern gemeinsam mit Partnern ins Leben gerufen. Als anerkannter Naturschutzverband hat der DWV zudem eine wichtige Funktion im Dialog von Naturnutzern und -schützern. Er ist Initiator des bundesweiten Tages des Wanderns am 14. Mai und zertifiziert im Rahmen der Qualitätsinitiative „Wanderbares Deutschland“ Regionen, Wege und Gastgeber, wenn sie sich besonders gut für Wanderer eignen.
Text und Fotos: Jens Kuhr